Sehr geehrter Herr Müller,
mit großer Bestürzung haben wir vom geplanten Vorhaben erfahren, das Fach Musikwissenschaft an der Universität Greifswald abzuschaffen. Aus der Perspektive der OPERNALE, dem Musiktheaterfestival im ländlichen Raum von Vorpommern, würde dieser Schritt einen herben Verlust bedeuten. Seit der Gründung der OPERNALE im Jahr 2011 existiert eine enge fachliche Beziehung zum Institut für Kirchenmusik und Musikwissenschaft, von welcher beide Seiten erheblich profitieren. Unsererseits konnten Lehraufträge für Seminare und Einzelunterrichte angenommen und durchgeführt werden, andererseits konnten seitdem mehr als 20 Studierende über ein studienintegriertes Praktikum bei der OPERNALE einen ersten Einblick in die fachlichen Anwendungsfelder der Musikwissenschaft gewinnen. Bei mehreren jungen Menschen entwickelte sich daraus ein festes Arbeitsverhältnis, so zum Beispiel ist die Absolventin Therése Altenburg seit 2020 als Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Regieassistentin und Organisatorin eine unverzichtbar feste Stütze unseres kleinen Teams. Derzeit ist eine andere Studierende der Musikwissenschaft im Werkvertrag für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit angestellt, eine weitere Studierende bereichert das Team als Praktikantin. Ohne den explizit musikwissenschaftlichen Hintergrund wären die genannten Personen für eine Mitarbeit bei der OPERNALE nicht geeignet. Die jungen Musikwissenschaftlerinnen erfüllen bei uns Forschungsaufgaben, z.B. zum Leben und Wirken der Greifswalder Komponistin Luise Greger, der Greifswalder Barockdichterin Sibylla Schwarz, der als Hexe verbrannten Sidonia von Borcke oder dem pommerschen Volksliedergut. Die jungen Absolventinnen lernen hierbei Recherche zu betreiben, die direkt in die Konzeption unserer Stücke einfließt. Die zeitnahe Realisierung der Stücke als Aufführungsserie in der gesamten Region Vorpommern ist für alle eine prägende und bleibende Erfahrung. Wir möchten hiermit betonen, dass das Fach Musikwissenschaft Fachkräfte ausbildet, die hier dringend benötigt werden! Die Abschaffung des Faches wäre ein großer Verlust nicht nur für die Universität Greifswald als einziger Alma Mater in Mecklenburg-Vorpommern, die dieses Fach im Portfolio hat, sondern auch für uns als langjähriger Initiative, die die Belebung des ländlichen und ländlichsten Raums mit kulturellen und gesellschaftspolitischen Debatten zur Mission an. In Zeiten des demokratischen Wandels und der ausgesprochenen Ignoranz der örtlichen Tageszeitung von Meldungen aus dem kirchlichen, dem kulturellen und dem wissenschaftlichen Bereich, halten wir es für überlebenswichtig, dass sich diese drei Bereiche – der kirchliche, der kulturelle und der wissenschaftliche – um des gesellschaftlichen Zusammenhaltes willen miteinander fest unterhaken! Wir appellieren hiermit eindringlich, vom Vorhaben der Abschaffung des Studienfaches Musikwissenschaft Abstand zu nehmen.
Mit freundlichen Grüßen
gez. Henriette Sehmsdorf, Künstlerische Leitung OPERNALE e.V.